Mit featherandsword in die Sechste Welt – Legwork

Vor dem eigentlichen Run kommt die Beinarbeit, oder Englisch „Legwork“. Man bereitet alles vor, besorgt Pläne, sucht die Runner aus, die mit einem losziehen sollen, macht sich ein Bild davon, was auf einen zukommen wird und deckt sich mit Ausrüstung für den Job ein. Mit Rollenspielrunden ist das eigentlich ganz ähnlich. Man findet Spieler, bereitet Charaktere und ein Szenario vor, sucht Bilder, Bodenpläne und anderes Material heraus und schaut, was an Regeln auf einen zukommen könnte.

Beinarbeit kann Spaß machen, sie kann aber auch etwas viel werden. Ich hatte letztes Wochenende ein wenig Freizeit und habe viel davon in die Vorbereitung der Shadowrunrunde gesteckt. Jetzt schaue ich zurück und frage mich, ob es sich gelohnt hat.

Das letzte Wochenende war ehrlich gesagt anstrengend. Ich hatte mir einen Tag Urlaub genommen und dadurch ganze vier Tage am Stück frei. Meine Frau und ich hatten uns nichts vorgenommen, außer, dass am Samstag mal wieder meine Tisch-Rollenspielrunde stattfinden sollte. Bei uns daheim. Mit mir als Spielleiter. Wir spielen sehr unregelmäßig eine Kampagne Dungeons & Dragons (5. Edition) und da soll jede Spielrunde auch etwas Besonderes sein. Dieses „nicht viel vorgenommen“ bedeutete also, dass wir Freitagabend alles für Pizza einkauften und Samstagvormittag dann selbige vorbereiteten. Meine Frau hat dabei eigentlich alles gemacht (Danke Schatz!), wodurch ich noch die Zeit hatte die Spielrunde ordentlich vorzubereiten.

Um zwei Uhr trudelten dann alle ein und wir hatten einen schönen Tag zusammen. Die Pizza kam gut an, das Abenteuer (soweit ich weiß) auch und alle hatten ihren Spaß. Na gut, alle bis auf den Spieler des Druiden. Durch eine natürliche 20 beim Stabilisierungswurf drauf zu gehen ist irgendwie… antiklimaktisch. Spät abends war die Wohnung dann wieder leer und wir fielen müde auf die Couch. Tag 1 erfolgreich erledigt.

Am Sonntag rafften wir uns auf und fuhren auf einen Trödelmarkt. Ich habe jetzt endlich eine kleine Truhe um meine Rollenspielsachen für die Tischrunde unterzubringen. Papierminis, Würfel, Stifte, passt alles rein!

kleine Truhe vom Trödelmarkt
Nahaufnahme - Schloss der Truhe vom Trödelmarkt
Deckel der Truhe vom Trödelmarkt

Nachmittags nahm ich mir dann die Zeit weiter Shadowrun zu lesen. Nachdem ich die Grundregeln der Charaktererstellung beim Elfischen Unterhändler bereits kennengelernt hatte, wagte ich mich jetzt an einen Drohnenrigger. Also das Kapitel zum Riggen aufgemacht und… kein Wort verstanden. Alles nur Verweise auf das Kapitel zur Matrix, zum Decker (also vereinfacht dem mobilen Hacker), zur Ausrüstung und zum Kampf. Das war ja auch nicht anders zu erwarten, zieht der Rigger doch seine Kraft vor allem aus seiner Ausrüstung und seinen Drohnen. Das Buch ging mit auf die Couch und ich schmökerte ein paar Stunden in den anderen Kapiteln, bis das Rigger-Kapitel endlich Sinn ergab. Tag 2 war rum und ich hatte viel neues Wissen zu Shadowrun, war aber keinen Schritt weiter, was die Charaktere und den Run anging.

Montags hatte ich einen Termin in der Werkstatt, TÜV + Winterreifen drauf, und ich verkürzte mir die Wartezeit mit Crowned and Beheaded, einer interaktiven Fan-Fiction der Mythenschmiede. Das Projekt ist erst kürzlich gestartet und ich durfte als Erster die Schritte des Protagonisten, Kashnodai, lenken.

Wieder daheim ging es dann weiter mit Shadowrun. Jetzt aber wirklich mit Charakterbau! Der Rigger selbst war recht schnell erstellt, aber die Drohnen und der Umgang mit ihnen waren noch ein Problem. Welche Autosoft läuft auf welcher Drohne? Wie viele dürfen installiert sein? Oder doch lieber alles auf die Riggerkonsole? Auf welche Werte muss ich bei der Hardware selbst achten? Was wird für welche Art von Proben verwendet? Welche Talente braucht der Charakter selbst?

Da kommt man schnell ins Schwitzen! Man ist ständig zwischen den Kapiteln am hin und her blättern, macht Notizen, ändert etwas ab. Dazu kam, dass ich ja auch noch einen Schmuggler vorbereiten wollte und der ja auch ein Rigger ist, nur eben mit einer anderen Ausrichtung. Aber wie genau macht man das von Regelseite her?

Gegen einundzwanzig Uhr klappte ich das Shadowrun Grundregelwerk dann einfach zu und war mit dem Ergebnis zumindest halbwegs zufrieden. Ich kannte alle nötigen Regeln und in Excel standen schon 90% der Werte des Charakters. Ich schaute noch mit meiner Frau „The Princess Bride“ (Deutsch: „Die Braut des Prinzen“), einen Klassiker von 1987 der mich mehrfach laut lachen ließ, und dann ging es ins Bett. Tag 3 würde ich als Erfolg verbuchen.

Am Dienstagmorgen wurde ich um sieben Uhr wach und konnte nicht mehr schlafen. Mein Kopf war so mit Shadowrun beschäftigt, dass es mir wortwörtlich den Schlaf raubte. Ich stand also auf und nach einer Tasse Kaffee und ein wenig Fleißarbeit waren der Rigger und seine Drohnen fertig auf den digitalen Charakterbogen übertragen. Wenige Minuten später war auch der elfische Unterhändler, der es bis jetzt nur auf einen gedruckten Charakterbogen geschafft hatte, auch digitalisiert.

Trotzdem war ich unzufrieden. Es fehlten noch zwei Charaktere, der Plot und grobe Ablauf des Runs existierten nur in meinem Kopf und waren weder mit Regeln, noch mit Bildern und Icons auf dem digitalen Spieltisch versehen. Und so fertig waren die Charaktere ja auch noch nicht, schließlich gab es deren Hintergrundgeschichten ja auch noch nicht schriftlich. Ein wenig Panik war da durchaus angebracht, fand ich.

Charakter Nummer drei sollte nun entstehen und auch mit Cyberware versehen werden. „Wieder neue Regeln, aber wenigstens nicht viele,“ hörte ich mich stöhnen. Also so sollte das ja nun nicht sein. Bisher hatte ich viel Spaß mit Shadowrun und seinen Regeln gehabt, aber jetzt? Jetzt fühlte es sich an wie Arbeit. Half ja aber nichts, bis Samstag musste ich fertig werden.

Der Orkische Schmuggler war dann auch schnell gebaut. Schnell bedeutete aber leider auch falsch. Ich hatte völlig die Anmerkungen meines Mitspielers überlesen und einen Charakter zusammengezimmert, der so gar nicht seine Ideen widerspiegelte. Ich fluchte leise (ok, vielleicht auch laut) und baute eben um. Meine Frau hatte schon die Suppe für unseren abendlichen Besuch auf dem Herd stehen, als ich schließlich mit dem Ausfüllen des dritten Charakterbogens fertig war. Mehr Zeit gab es an diesem Wochenende nicht mehr. Tag 4 war im Prinzip zu ende.

Ich fühlte mich mies. Das ganze Wochenende hatte ich im Endeffekt gearbeitet. Schuld war nur ich selbst, weil ich zu viel, zu schnell wollte. Aus Spaß war Arbeit geworden und aus Kreativität stumpfes Rausschreiben von Werten. Und bis Samstag würde ich niemals fertig werden.

Da fiel mir was ein: Ich mache das, weil ich es Will, nicht, weil ich es Muss. Der ganze Druck, den mache ich mir nur selbst. Meine Mitspieler wollen einen schönen Samstagabend, aber dafür hätten es die Einsteigerregeln völlig getan. Nur ich bin das, der sich hier selbst verrückt macht.

Das Erleichterndste, das ich an diesem Wochenende getan habe, war, den Termin für die Runde zu verschieben. Ich schrieb eine kurze Mitteilung an meine Mitspieler und setzte eine Doodle-Umfrage auf. Danach gab es Linsensuppe, Eis, ein paar Freunde, meine Frau und die Couch. Tag 4 war zu Ende, das Wochenende auch, aber ich war zufrieden.

Viele Grüße

featherandsword / Michael


dz10yearsDieser Blog-Eintrag ist Teil einer Serie die ich anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Drachenzwinge durchführe. Die Einleitung zur Serie gibt es hier. Das ist ein rein privates Projekt von mir. Es handelt sich nicht um eine offizielle Aktion der Drachenzwinge und ich bin auch keiner der Moderatoren oder Betreiber der Seite.


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