Mit featherandsword in die Sechste Welt – Von Runnern und Regeln

Shadowrun 5 ist ein unglaublich komplexes Regelwerk, aber ist es deshalb auch kompliziert? Ich bin kopfüber in die Regeln eingetaucht und habe meinen ersten Runner erstellt. Mein Fazit nach dem ersten richtigen Kontakt? Erstaunlich positiv!

Die Zeit ist schon ganz schön vorangeschritten und es sind nur noch drei Wochen bis zu meiner allerersten Shadowrun Runde. Ich habe die ersten Kapitel des Grundregelwerks nun komplett gelesen und auf Drachenzwinge.de auch meine drei Runner gefunden. Das Wochenende hat mir wieder zeitlich etwas Spielraum verschafft und ich konnte mich mit den Charakteren und den zu deren Erschaffung nötigen Regeln befassen. Ein Charakter ist schon fertig, zwei weitere warten noch auf ihren Einsatz.

Ganz am Anfang habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass Shadowrun ein beeindruckendes, ja furchteinflößendes Regelwerk ist. Es ist nicht mein erster Anlauf der Regeln Herr zu werden, aber es scheint, als wäre es der erste erfolgreiche!

Keep it simple silly!

Shadowrun 5 hat Regeln für alles: Sich an was erinnern, einen Freund um einen Gefallen bitten, eine Waffe abfeuern (samt Umgebungsmodifikatoren, Feuermodus, Rückstoß usw.), Hacken, eine Drohne steuern, mit Magie um sich werfen, bis hin zum Wassertreten (einer unter Runnern offensichtlich sehr wichtigen Disziplin, sonst gäbe es sicher nicht eine extra Regel dafür!). Und für alles gibt es auf irgendeiner Seite einen ganzen Absatz mit Details zum Ablauf und was man zu würfeln hat.

Diese Regelvielfalt wird richtiggehend zelebriert! Du willst ein Schloss knacken? Ja welche Art Schloss ist es denn? Altmodisches Vorhängeschloss oder ein Magschloss? Ist da ein Kartenleser dran oder ein Retinascanner? Willst du das Gehäuse vorsichtig abbauen oder es einfach mit Gewalt öffnen? Hast du denn das richtige Equipment mit? Oh und übrigens brauchst du eigentlich gar keine Schlosser-Fähigkeit, wenn du nur einen Kartenleser hast und irgendwie an die original Zugangskarte ran kommst. Und dann brauchst du nur noch… … …

Das alles ist auf Tiefgang ausgelegt. Darauf, dass man als Spielleiter ein beliebig komplexes Rätsel für seine Spieler aufbauen kann und die müssen es dann mit den Fähigkeiten und der Ausrüstung ihrer Runner knacken. Die Geschichten die dabei entstehen und von denen man von begeisterten Shadowrun-Spielern immer wieder erzählt bekommt, sind dabei nur das Sahnehäubchen aus einem leckeren Kuchen aus Knobelei, Vorbereitung und Action. Und genau deshalb braucht es all diese Detailregeln und Optionen! Kein Run soll sein wie der vorherige. Jede Location wird vollgepackt mit kleinen Details, die dann wieder ein Spieler (mit Hilfe seines Runners) finden und zur Lösung des Rätsels einsetzen kann. Und wie geil ist das denn, wenn man an alles gedacht hat und ein Rädchen ins andere greift und ein Run butterweich läuft? Oder wenn alles schief geht, man aber natürlich auch das passende Equipment (und die passende Wumme) für Plan B hat?

Aber ist das Spiel dadurch nicht unheimlich kompliziert? Ich sage: Nein! Der Clou ist, dass man alle wirklich zum Spielen notwendigen Regeln ohne große Probleme auf zwei DIN A4 Seiten niederschreiben kann. Beweis gefällig? Hier:

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Zwei Seiten in meiner von Jahren der PC-Arbeit degenerierten Handschrift

Mehr braucht man am Anfang nicht. Alle anderen Regeln bauen auf diesen zwei Seiten auf und nach und nach wird man sie als Spielleiter und Spieler kennenlernen und dann nach Belieben ins Spiel einbauen.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei rabenaas von Shadowrun Berlin bedanken. Über seinen Artikel „13 Kniffe die jeder Shadowrun SL kennen sollte“ bin ich bei der Vorbereitung gestolpert und er hat mir was ein paar Dinge angeht regelrecht die Augen geöffnet. Wenn man an Shadowrun mit dem Anspruch rangeht, jede noch so kleine Regel direkt zu kennen und zu verwenden, ist man zum Scheitern verurteilt. Nicht umsonst gibt es in der englischen Variante von Shadowrun gleich drei Produkte für Einsteiger: das Quickstart PDF mit den ganz einfachen Regeln für eigentlich nur einen Run, das Beginner Box Set mit etwas mehr Tiefe und das Alphaware Toolkit als Brücke zum eigentlichen Grundregelwerk (siehe hier). Die Herausgeber sind sich also durchaus bewusst, dass sie ein nicht ganz unkompliziertes Gesamtwerk zusammengestellt haben und führen neue Spieler daher langsam, Schritt für Schritt an die komplexeren Regeln heran.

Das Regelwerk selbst ist auch ein Spiegel dieser Philosophie vom großen ins kleinen, vom Makro zum Mikro. Nach den ersten beiden Kapiteln kennt man alles, was einem bei Shadowrun begegnen wird: die grundlegende Würfelmechanik, Magie, Karma, die Matrix, die Konzerne und das Leben als Runner in der Sechsten Welt. Darauf folgt die Charaktererschaffung in der alles, was einen Runner ausmacht, kurz vorgestellt wird: Attribute, Fähigkeiten, Magie, Ressourcen, Vor- und Nachteile, Connections und wie man stärker wird. Dazu die Archetypen um einem vor Augen zu führen, welche Charakterkonzepte sich mit den Regeln alle verwirklichen lassen. Überall tauchen Verweise auf die restlichen Kapitel des Buches auf, in denen man dann die Detailregeln nachlesen kann. Und ja, das sind viele, aber man braucht ja (als Spieler) immer nur gerade die, die zu seinem Charakter gehören!

Netter Nebeneffekt: Man sammelt immer wieder kleine Informationsschnipsel über die Sechste Welt in den einzelnen Kapiteln ein. Es gibt kein großes Monolithisches Gesamtwerk „Die Sechste Welt – eine allumfassende Beschreibung in 300 Seiten“. Stattdessen fühlt man sich, als würde man die Welt bei jeder Regel die man liest und jedem bisschen Fluff-Text der dazugehört ein wenig mehr kennen lernen. Dazu kommen die zwischen den Kapiteln eingeschobenen Kurzgeschichten, die noch einmal das herrliche Flair der Welt von Shadowrun unterstreichen.

Für den Spielleiter gibt es eigentlich nur einen Feind: seine Spieler! (Man lese das bitte mit einem Augenzwinkern. Ich glaube die Zeiten in der man als SL tatsächlich gegen die Spieler gespielt hat, sind zum Glück rum.) Als frischgebackener SL hat man eigentlich keine Chance es einem langjährigen Chummer rechtzumachen. Es wird immer ein Stückchen Wissen über die Welt geben, von dem man selbst noch nichts weiß, dass für einen Altern Hasen aber selbstverständlich ist. Ich rede dabei nicht mal von allen anderen Büchern die zu Shadowrun 5 erschienen sind, geschweige denn all den Werken die sich seit der ersten Edition so angesammelt haben. Selbst im Grundregelwerk wird es Dinge geben, die man beim ersten Durchlesen einfach verpasst, weil sie vielleicht nur in einem Nebensatz zu irgendeiner Fähigkeit auftauchen (oder, weil man wie ich selten ein Regelwerk wirklich vom Inhaltsverzeichnis bis zum Klappentext liest).

Ich glaube ja, das ist alles nicht schlimm, da muss man einfach drüberstehen bzw. als einer der alten Hasen auch mal ein Auge zudrücken können. Wichtig ist doch, dass das Flair der Welt richtig rüberkommt und dass alle am Tisch, virtuell oder physisch, ihren Spaß haben. Der Spielleiter miteingeschlossen!

Die Runner

Jetzt habe ich viel über das Grundregelwerk allgemein gesprochen, aber wie ist mir die Charaktererstellung so von der Hand gegangen? Auch hier muss ich sagen: erstaunlich gut!

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Der erste Charakter: Ein elfischer Unterhändler (vage angelehnt an den Archetyp von Seite 119 des Grundregelwerks)

Ich habe mir überlegt, dass ich meinen Spielern lediglich ermögliche mir ein grobes Charakterkonzept vorzugeben, dass ich die Charaktere dann aber selbst von Hand baue. Der Hintergrund ist, dass ich dadurch beim Erstellen der Charaktere ganz von selbst die Regeln nach und nach lerne und außerdem am Ende sehr gut einschätzen kann, welche Regeln bei unserem Oneshot wirklich relevant werden. Dadurch gibt es für mich keine bösen Überraschungen, wenn ein Spieler auf einmal einen Magier zum Spieltisch bringt, ich aber das Magiekapitel eher grob überflogen habe. Ich kenne jeden Runner und jede Spezialfähigkeit und kann mich entsprechend vorbereiten.

Vorteil Nummer zwei: Ich kann eine spannende, persönliche Geschichte erzählen. Ich kann das Team und den Run so ausarbeiten, dass Charaktere wie Spieler von Anfang an ins Spiel hineingezogen werden. Keine langwierige Kennenlernphase, die Runner kennen sich und sind unterwegs zum Treffen mit Mr. Johnson, dem anonymen Auftraggeber für den Auftrag.

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Neben Stift und Papier mein bester Freund: Excel

Natürlich erfordert das ein wenig Vorarbeit auf meiner Seite. Ich muss den Spielern nicht nur fertig ausgefüllte Charakterbögen erstellen, sondern ihnen auch ein entsprechendes Dossier mit an die Hand geben. Beides entsteht nun im Laufe kommenden beiden Wochen und wird hier nach und nach veröffentlicht.

Insgesamt haben sich auf Drachenzwinge.de drei Spieler gefunden. Dazu gehören natürlich auch drei Runner, die ihr Glück in den Schatten suchen:

  • Ein Elfischer Unterhändler, der verstrickt in ein Netz aus Intrigen seine Position bei einem der großen Konzerne verloren hat und nun in den Schatten auf eine Möglichkeit lauert sich zu rächen.
  • Ein Drohnen Rigger, dem seine selbstgebastelten Schätzchen mehr bedeuten als so mancher Metamensch.
  • Und ein weiterer Runner, dessen Identität noch im Verborgenen liegt.

Charakter Nummer eins liegt fertig gebaut neben mir. Hier fehlt nur noch das Dossier. Die anderen Charaktere gibt es dann wie angekündigt in Kürze hier.

Im nächsten Blog Beitrag gehe ich dann genauer auf die Charaktererstellung ein und beleuchte die Besonderheiten die sich durch das Zusammenspiel von Magie und Technik ergeben. Mein Zwischenfazit bis jetzt ist durchweg positiv und ich freue mich schon darauf bald weiter an den Charakterkonzepten feilen zu können.

Bis dahin, viele Grüße

featherandsword / Michael


dz10yearsDieser Blog-Eintrag ist Teil einer Serie die ich anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Drachenzwinge durchführe. Die Einleitung zur Serie gibt es hier. Das ist ein rein privates Projekt von mir. Es handelt sich nicht um eine offizielle Aktion der Drachenzwinge und ich bin auch keiner der Moderatoren oder Betreiber der Seite.


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