17.09.2072 Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?

17.09.2072 Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?
Irgendwo im nirgendwo. Eine Werkstadt wie sie typischer nicht sein könnte. Auf der ersten Hebebühne steht ein Hummer, auf der zweiten ein Ferrari Testarossa und auf der dritten ein Citroën 2CV. Keines dieser Autos sieht noch so aus, wie man es erwarten würde. Der Hummer hat den Aufbau eines gelben, viel zu großgeratenen Fiat500 bekommen. Der violett, grün karierte Testarossa hat statt der üblichen Schlafaugen zwei eingebaute Raketenbatterien mit jeweils neun Geschossen, welche beim Öffnen der Klappscheinwerfer ihren Dienst beginnen. Der kackbraune 2CV hat statt der üblichen 125er neue 345er Slicks bekommen und aus der ein wenig verlängerten Motorhaube protzt nun ein V16 Veyron Turbomotor. Drei Menschen schrauben an den Autos herum, durch die enge der Werkstadt dröhnt der tiefe Bass von 50 Cents Candy Shop. Ein weißer, junger Bird-Reynolds‘-Verschnitt, ein Latino mit zu tief hängender Hose und ein junger, sportlicher Asiate in Lederjacke. Es klopft und der Asiate unterbricht seine Arbeit an dem 1000 W Soundsystem des Hummers und begibt sich zur Tür. Draußen stehen zwei Orks und ein Troll. Nach einem kurzen Gespräch dreht sich der Asiate um und ruft: „Boss, Kundschaft!“ „Alles klar, wollen mal sehen was wir da haben.“, sagt der weiße und zieht das erste Rolltor auf. Draußen steht ein Bulldog Stepvan mit zerbeulter Motorhaube. „Oha, na wenn da mal kein Troll den Stahl geküsst hat.“ Der deutliche Abdruck eines Trolls ist in der Motorhaube zu erkennen.
Oberhalb der Szenerie sitzt auf dem Rand des gegenüberliegenden Gebäudes eine Gestalt des Schattens. Sie beobachtet die Ereignisse dort unten aufmerksam.
Währenddessen versucht der Asiate sich verzweifelt an der Hotline des Autoteilegroßhandels „Pimp your Car“. Schließlich gibt er auf und vereinbart mit der sichtlich inkompetenten Dame der Hotline später noch einmal anzurufen. Sobald er den Hörer Aufgelegt hat, klingelt das Telefon und die Dame der Hotline ist dran. Bevor sie allerdings seine Bestellung aufnehmen kann legt der Asiate einfach auf. Während seine Kollegen noch verwirrt in seine Richtung blicken, ruft er erneut die Hotline an und ordert problemlos die Ersatzmotorhaube. Sachen gibt’s die gibt’s gar nicht.
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Mitten vertieft in die Recherche über meine neunen Freunde vom Yard, ruft Dunst an und bittet mich zu Salpeter zu kommen. Auch wenn mich das Gedudel im Hintergrund von Dunsts Stimme abschreckt, mache ich mich auf den Weg.
Bei Salpeter angekommen, stelle ich genervt fest, dass noch immer die scheinbare Endlosschleife „Im Frühtau zu Berge“ spielt. Salpeter hängt mit einer Flasche des billigsten Bourbons auf dem Sofa und trellert fröhlich mit. Dunst konnte Faiks ComLink noch immer nicht erreichen. Auf Jason können wir zu Zeit nicht zurückgreifen, der hat noch zu viel in seiner Werkstadt zu tun. Auf meinen Wunsch hin versucht Dunst es nochmal mit einer gründlichen Matrixsuche nach Faiks ComLink. Während nun Salpeters Musikbox zu „Lebt denn der alte Holzmichel noch?“ gewechselt hat, was mich fast dazu drängt ihn mit samt seiner Bourbonflasche zu ersäufen, findet Dunst das vermisste ComLink. Sein Hack gelingt und er schaltet es ein. So gelingt es uns dessen Position zu orten. Sogleich lassen wir den alten Säufer auf seiner Couch liegen und machen uns auf den Weg zum Ort des Signals.
Mit quietschenden Reifen bringe ich den schwerfälligen StepVan um die Kurve in die Pertesgasse. Als mir klar wird wo wir uns befinden reduziere ich die Geschwindigkeit und wechsle in den Autopilotenmodus. Dunst bemerkt es zur gleichen Zeit. Wir fahren an dem Hauptquartier der Polizei vorbei, in der auch die Asservatenkammer untergebracht ist. Hier ist das Signal von Faiks ComLink am deutlichsten. Uns schwant übles und ich stoppe den Wagen am Seitenstreifen. Dunsts sabbernder Abgang neben mir signalisiert mir, dass er versuchen wird sich auf anderen Wegen Gewissheit zu verschaffen.
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Währenddessen an unserer Lieblings Werkstadt kommt der Transporter von „Pimp your car“ an und ein Texaner mit Fransenhose und Zehn-Gallonen-Hut steigt aus. Aus dem Kofferraum holt er die georderte Motorhaube und noch einige Kleinteile. Beobachtet wird auch diese Szenerie von der Gestalt im Schatten.
Als der Texaner seine Lieferung an den Asiaten übergeben hat und wieder davon gefahren ist, gleitet die Gestalt vom Gebäude und landet lautlos vor der Werkstadt. Von drinnen vernimmt man den Fernseher auf dem eine Folge der Ludolfs läuft. Die Gestalt aus dem Schatten klopft an die Tür, wie es wenige Stunden zuvor die Orks und der Troll getan haben. Der Asiate öffnet die Tür und erblickt einen Fahrzeugbesitzer mittleren Alters mit durchschnittlichem Aussehen. Zumindest glaubt er das. Was er auch glaubt ist das der gute Mann einen defekten Pontiac Firebird besitzt, welcher dringend mal begutachtet werden muss. Dazu verlässt der Asiate die Werkstadt und geht einige Meter auf den Hof. Selbstverständlich ohne ein Auto begutachtet zu haben kehrt er zur Werkstadt zurück und glaubt mit dem defekten Firebid ein gutes Geschäft machen zu können.
Für einen Bruchteil von Sekunden scheint die Manipulation des Schattens zusammenzubrechen und der Asiate sieht die hässliche Fratze eines Vampires. Allerdings nur so kurz, dass er sich dessen nicht sicher sein kann. Wessen er sich sicher ist, ist dass er manipuliert wurde. Damit hat der freundliche Herr mittleren Alters nicht gerechnet und sieht sich nun einem Kampfsportexperten gegenüber, welcher sich nicht mehr kontrollieren lässt und ihm eindeutig zu verstehen gibt, dass wenn er nicht sofort das Weite sucht, würde er seine Fäuste zu schmecken zu bekommen. Als der erste Hieb auf ihn zu kommt beginnt er wie eine alte, verwirrte Frau zu schreien. Das ruft Jason auf den Plan, der verwundert aus der Werkstadt gelaufen kommt und feststellt wie sein Mitarbeiter Kenji versucht eine verängstigte, ältere Dame niederzuschlagen. Sogleich geht er dazwischen. Allerdings versteht er nicht, was sein Elektronikexperte vor sich hin stammelt. Er versteht nur zusammenhanglose Fetzen. Kenji lässt sich nicht beruhigen und als dieser der älteren Dame endlich den Rücken zudreht, schlägt diese ihm mit ihrem Gehstock in den Rücken. Kenji fährt herum und schlägt der Angreiferin den Stock aus der Hand. Jason kann gar nicht so schnell reagieren, wie ihm der Gehstock mitten auf die Nase donnert. Während Jason vor Schmerzen noch die Augen tränen, wird die ganze Situation noch kurioser. Kenji eben noch rasend vor Wut, bückt sich nun hebt den Gehstock auf und gibt unter vielfachen Entschuldigungen den Gehstock an die ältere Dame zurück. Der Vampir hat die Kontrolle wieder, so scheint es. Bevor Jason irgendwie versuchen kann mit der Situation umzugehen, fährt ein Taxi vor und die drei Russen steigen aus. Die beiden Orks marschieren sogleich in an der Gruppe vorbei in die Werkstadt, während der Troll vor Jason und Kenji stehen bleibt. Von der Werkstadt vernimmt man nur kurz die Proteste von Hernandez, dann öffnet sich das Rolltor und die Orks fahren ihren reparierten Bulldog heraus. Der Troll nickt zufrieden und wirft Jason einen Beutel mit Credsticks hin, dann steigt er in den Van und sie fahren davon. Jason blickt zufrieden auf das Geld, dann zu Kenji und dann zur… Die ältere Dame ist nicht mehr da.
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Dunst zuckt noch kurz neben mir, ehe er aus seinem Koma erwacht, panisch „Agent“ schreit, die Tür auf reist und gegen den Hydranten rennt und bewusstlos zusammenbricht. Oh man, diese Technomancher. Aber bevor ich warten möchte was er mit Agent gemeint hat, steige ich aus und schleppe ihn in den Wagen und fahre zurück zu Salpeter.
Auf dem Weg dahin erwacht Dunst wieder und berichtet mir, dass er versucht hat ins HanSec System zu hacken dabei von einem Agentenprogramm entdeckt und verfolgt wurde. Bei Salpeter angekommen treffen wir Jason in der Tiefgarage, dem wir von unserer Vermutung, das Faik tot sei, berichten. Jason erzählt uns von den Ereignissen an der Werkstatt. Kenji hat sich wohl vor Angst der Vampir könnte wiederkommen, in der Werkstatt eingeschlossen und würde an einen Alufolienhelm basteln, welcher ihn gegen Gedankenkontrolle schützen soll. Was ein Schwachsinn, aber bedenklich ist das ganze schon.
Wieder oben in der Wohnung hat Dunst nun Gelegenheit uns endlich davon zu berichten, wo wir unser Ziel Teko finden werden. Hmm, nun müssen wir nur noch überlegen wie wir in ein Konzerngelände einbrechen, einen Troll entführen und wieder unbehelligt herauskommen. Nichts leichter als das.
Wir grübeln noch über die Möglichkeiten als ich einen Anruf erhalte. Eine seltsame Frau ist dran, welche mir keinen Namen nennt. Das einzige was sie sagt ist, dass sie Infos über James hat und sie sich nur mit mir alleine heute Nacht treffen möchte. Bevor ich etwas dazu sagen kann, legt sie wieder auf. Shango stellt im gleichen Moment fest, dass wir von einem Watcher beobachtet werden und vernichtet ihn. Schon komisch dies alles. Wir beschließen, dass ich auf jeden Fall nicht alleine zum Treffpunkt fahren werde.
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Auf den Landungsbrücken gehen wir gut verteilt in Stellung und beobachten die Umgebung. Es herrscht noch reges Treiben und Kenji, welcher als Tevin verkleidet mit getarntem ComLink über den Platz spaziert, schaut sich suchend um. Nach etwa einer halben Stunde wird er von einer älteren Frau angesprochen. Da Kenji das ComLink ausschaltet hat können wir weder seine genaue Position lokalisieren noch mithören, also beschließen Jason und ich uns auch nach unten ins Gedränge zu begeben. Irgendwie ist der Schwindel bereits aufgeflogen als wir Kenji und die alte Frau erreichen. Es beginnt eine hitzige Diskussion. Schlussendlich will die Dame nur mit mir alleine Sprechen, das lehnen wir entschieden ab. Als wir uns umdrehen und den Platz verlassen wollen, manifestiert sich ein Geist vor uns und versucht auch nachdrücklich mich davon zu überzeugen mitzukommen. Wir ignorieren den Geist und marschieren einfach weiter. Oben bei Shango und Dunst angekommen geht das Spielchen weiter. Jetzt ist es Shango der mich davon überzeugen will, dass ich der alten Dame alleine Folgen soll. Ich überlege ihn durch einen Schlag ins Gesicht wieder zur Vernunft zu bekommen, entscheide mich aber dagegen. Stattdessen ignorieren wir auch ihn und gehen, er folgt uns mit Dunst im Schlepptau.
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Zurück bei Salpeter bekommen wir noch einen Bericht von Toni, welcher für Salpeter recherchiert hat, ob letzte Nacht in irgendwelchen Leichenschauhäusern oder Krankenhäusern ein Troll eingeliefert wurde. Ergebnis ist, das in der letzten Nacht zwei Trolle verstorben sind. Einer liegt bei der HanSec in der Petersgasse. Damit sind auch die letzten Zweifel zerstreut. Faik alias James ist Tod. Und wieder haben wir aus unerfindlichen Gründen ein wertvolles Mitglied unserer Gruppe verloren.
Requiescat in pace
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